EuroPedusa 
Acryl auf Leinwand 
70 x 50 cm 
(2017)

Das Gemälde zeigt eine düstere, bedrohlich aufgeladene Szenerie. Im Zentrum dominiert ein massiver Turm, dunkel, schwer und bedrohlich – auf seiner Stirn prangt das Symbol der Europäischen Union: ein abblätterndes Rechteck in Blau, auf dem nur noch wenige gelbe Sterne der EU-Flagge sichtbar sind. Die Sterne scheinen halb abgerissen, das Blau ist beschädigt – ein klares Zeichen für Erosion, Zerfall oder Gleichgültigkeit. Die Oberfläche wirkt wie zerfetzt, als wäre Europa selbst am Zerbrechen oder zumindest in der Wahrnehmung beschädigt.

Auf dem Dach des Turms ist Stacheldraht montiert – NATO-Draht oder Grenzbefestigungen. Der Bau wirkt wie ein Gefängnis, eine Festung oder ein abgeschotteter Wachturm – Symbol für eine befestigte Festung Europa.

Links ragt eine grüne, sich windende, wurmartige Struktur aus den Wolken. Sie erinnert vage an einen menschlichen Arm oder ein Gliedmaß – deformiert, hilflos, abgerissen. Die Figur wird von schwarzen, krallenartigen Linien umrahmt – vielleicht sind es Spuren von Gewalt, von Tod, von Abwehr. Zwei Blitze zucken gelb herab – als Ausdruck von Chaos, Gefahr oder göttlicher Strafe?

Der Himmel ist unruhig, wolkenverhangen, grau und schwer. Eine trübe Lichtquelle im unteren Bereich – möglicherweise Sonnenuntergang oder -aufgang – bringt etwas Gelb ins Bild, aber ohne Hoffnung.

Im unteren zentralen Bereich des Bildes – direkt vor der düsteren „Festung Europa“ – ist eine kleine, fragile Menschengruppe auf einem notdürftigen Floß oder Schlauchboot dargestellt: Eine Frau mit einem Kind auf dem Arm. Ihr Körper wirkt angedeutet, aber dennoch eindeutig in Haltung und Gestus. Die Frau steht oder kniet, das Kind hält sie schützend fest.

Diese kleine Szene ist der menschliche Kontrapunkt zur monumentalen Kälte des Turms dahinter. Während Europa sich abschottet, steht hier das nackte Überleben. Die Frau wirkt verletzlich, aber entschlossen. Sie hält das Kind – Symbol für Hoffnung, Zukunft, Schutzbedürftigkeit – mitten in einem feindlich wirkenden Meer aus Dunkelheit und Bedrohung.

Das Floß ist klein, kaum erkennbar – fast so, als würde es im Strom der Ereignisse verschwinden. Es gibt keinen Horizont, keine Rettung in Sicht. Die Figuren sind aber auch keine plakativen Opfer – sie stehen ruhig, fast würdevoll inmitten des Chaos. Gerade dadurch wirken sie umso eindringlicher.

Diese Szene lässt sich lesen als Anruf an das Gewissen Europas: Während sich der Kontinent hinter Mauern und Symbolen verschanzt, stehen reale Menschen vor seinen Toren – Mütter, Kinder, Familien auf der Flucht. Ihre bloße Anwesenheit vor der dunklen Bastion ist ein stiller, aber machtvoller Protest gegen Ignoranz.

Hier liegt der tiefste Zynismus des Bildes: Die humanitäre Katastrophe ist sichtbar – und bleibt dennoch unbeantwortet. Die Frau mit Kind wird zum Sinnbild für all jene, die Schutz suchen, aber abgewiesen werden.

Die Festung mit EU-Symbolik steht für ein Europa, das sich im Angesicht der Flüchtlingswelle von 2015 bis 2017 abschottet, Mauern errichtet und auf Abwehr setzt. Die Stacheldrahtzäune sind nicht mehr nur realpolitische Maßnahmen, sondern Ausdruck einer tiefen Ablehnung gegenüber Schutzsuchenden – Menschen, die mit Gummibooten, zu Fuß oder versteckt über Grenzen kamen und dabei häufig ihr Leben riskierten.

Das verletzte EU-Emblem verweist auf den Verlust europäischer Ideale wie Humanität, Solidarität und Offenheit. Europa ist nicht mehr das verheißungsvolle Land, sondern ein Bollwerk – gefangen in eigener Angst, Bürokratie und Zynismus.

In dieser Deutung ist Europa nicht Opfer, sondern Täter:

„Europedusa“ ist eine vielschichtige Anklage an ein Europa, das seine eigenen Ideale verrät. Das Bild macht sichtbar, was oft im Verborgenen bleibt: die Brutalität der Abwehrmechanismen, die tödliche Gleichgültigkeit gegenüber Flucht und Leid – und die Transformation eines Kontinents, der sich einst als Wiege der Menschenrechte verstand, nun aber selbst zur Medusa geworden ist.

 

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