Alles mach neu
Acryl auf Leinwand
180 x 240 cm
(2017-2018)
Das Gemälde „Alles mach neu“ zeigt einen Innenraum, der zwischen Verfall und Erneuerung zu schweben scheint. Die Atmosphäre des Raums wird durch eine gedämpfte Farbpalette geprägt – vorwiegend warme, erdige Töne, unterbrochen von kräftigen Kontrasten. Die Wände sind von Spuren der Vergangenheit gezeichnet: Risse, abblätternde Farbe und dunkle Flecken verleihen der Szene eine Aura des Übergangs und Wandels.
Der Boden besteht aus Holzdielen, die eine natürliche, fast wohnliche Struktur in das Bild bringen, zugleich aber auch eine gewisse Vergänglichkeit ausstrahlen. Die Maserung und Gebrauchsspuren auf dem Boden deuten darauf hin, dass hier bereits viele Veränderungen stattgefunden haben.
- Zentrales Motiv des Werks ist die wiederholte Darstellung des Künstlers selbst. Neun Mal erscheint Angelo Circolone in verschiedenen Posen und Tätigkeiten innerhalb des Raumes. Jede dieser Darstellungen verkörpert eine andere Facette seines Selbst oder eine spezifische Handlung, die mit dem Prozess der Erneuerung verbunden ist.
- Im linken Bildbereich befindet sich ein älteres Werk des Künstlers, das er gerade selbst übermalt. Dieser Akt des Überarbeitens spiegelt den Grundgedanken des Bildtitels wider – Altes wird nicht einfach verworfen, sondern transformiert.
Eine Leiter steht direkt vor diesem Bild, ein typisches Symbol für Übergänge und Aufstiegsmöglichkeiten. Sie wirkt wie eine Einladung zum Fortschreiten oder als Werkzeug für die fortwährende Erneuerung - Im rechten Bildbereich steht eine Figur im Künstlerkittel, die eine besondere Bedeutung zu haben scheint. Sie bildet den Mittelpunkt des Bildes und zieht den Blick des Betrachters auf sich. Ihr direkter Blick scheint einen zu verfolgen, wodurch eine fast unentrinnbare Verbindung zwischen Betrachter und Figur entsteht. In ihrer rechten Hand hält sie eine persönliche Botschaft, während sie in der linken Hand einen Skorpion trägt – ein Symbol für Gefahr, Vergänglichkeit, aber auch Widerstandskraft und Transformation.
- Von der Decke hängend, in der linken hinteren Ecke, befindet sich eine Figur in einem Cocoon – ihr Körper kopfüber, fast schwebend. Diese Darstellung erinnert an eine Raupe im Stadium der Metamorphose: ein Sinnbild für Veränderung, aber auch für den Zustand des Unfertigen, des Noch-nicht-Neuen.
- Im Vordergrund sind die Holzdielen besonders sichtbar und führen den Blick des Betrachters tiefer in das Geschehen. Der Boden gibt der Szene eine gewisse Bodenständigkeit, bleibt aber dennoch Teil des Wandlungsprozesses.
- Am rechten Bildrand öffnet sich eine Tür, die den Blick auf etwas Neues freigibt. Der Lichtschein, der aus dieser Öffnung dringt, lässt eine noch unbestimmte Möglichkeit erahnen – eine Einladung, aber auch eine Ungewissheit.
- In der Mitte des Raumes an der hinteren Wand sitzt eine Figur auf einer Couch. Sie trägt eine Theatermaske, die an klassische Tragödien- oder Komödienmasken erinnert. Diese Maske könnte für verschiedene Rollen stehen, die der Künstler im Laufe seines Lebens oder seiner künstlerischen Entwicklung angenommen hat. Möglicherweise symbolisiert sie auch die Inszenierung der eigenen Identität oder eine vergangene, theatralische Selbstwahrnehmung.
- Eine kleinere Figur rechts daneben übermalt diese maskierte Gestalt, was auf den fortschreitenden Wandel hinweist. Die Übermalung der maskierten Person könnte als Metapher für das Ablegen alter Rollen oder Illusionen verstanden werden – ein bewusster Akt der Selbstneugestaltung.
Das Werk „Alles mach neu“ von Angelo Circolone thematisiert den Prozess der Veränderung – sowohl auf persönlicher als auch auf künstlerischer Ebene. Es zeigt den Künstler in einem Raum des Wandels, in dem Altes übermalt, neue Perspektiven eröffnet und verschiedene Versionen des Selbst miteinander in Dialog treten. Die facettenreiche Darstellung lädt zur Reflexion über Identität, Vergangenheit und Zukunft ein.
Indem der Künstler sich selbst in neun verschiedenen Versionen inszeniert, entsteht ein facettenreiches Bild seiner inneren Entwicklung. Die Selbstporträts könnten verschiedene Stadien seines künstlerischen oder persönlichen Lebens symbolisieren – innere Konflikte, alte Versionen des Selbst oder Prozesse der Veränderung.
Das Übermalen des eigenen früheren Werks ist hierbei ein zentrales Motiv: Es steht für den bewussten Umgang mit der Vergangenheit. Anstatt das Alte zu verleugnen, wird es zur Grundlage für Neues – ein kreativer Akt der Selbstüberarbeitung. Die Tatsache, dass sich dieses ältere Bild auf der linken Seite befindet und aktiv übermalt wird, unterstreicht, dass Erneuerung nicht nur eine Idee, sondern eine physische Handlung ist.
Der Titel „Alles mach neu“ verweist auf einen doppelten Prozess:
- Zum einen bedeutet er das Hinter-sich-Lassen der Vergangenheit, das Lösen von alten Identitäten, Denkweisen oder künstlerischen Ansätzen.
- Zum anderen trägt er eine zukunftsgerichtete Aussage – die Bereitschaft, sich zu erneuern, weiterzuentwickeln und neue Wege zu beschreiten.
Die abblätternden Wände könnten für das Vergangene stehen, das im Begriff ist, sich aufzulösen oder übermalt zu werden. Die wiederholte Präsenz des Künstlers selbst zeigt, dass dieser Prozess nicht statisch ist, sondern aktiv gestaltet wird. Auch die offene Tür am rechten Bildrand verstärkt diese Dynamik – sie bietet nicht nur einen Ausblick, sondern könnte auch als Einladung verstanden werden, diesen Wandel bewusst zu betreten.
- Das übermalte Bild: Es steht für den Umgang mit dem eigenen Werk und der eigenen Vergangenheit. Der Künstler zerstört es nicht, sondern verändert es, indem er es in etwas Neues integriert.
- Der Skorpion: Als Element der linken Hand der Künstlerfigur besitzt er eine mehrdeutige Symbolik. Er könnte für eine Herausforderung stehen, die es zu überwinden gilt, oder für eine schmerzhafte Erkenntnis, die Teil des Erneuerungsprozesses ist. Zugleich ist der Skorpion auch ein Überlebenskünstler – ein Wesen, das sich an extreme Bedingungen anpassen kann.
- Die persönliche Botschaft: Die Figur im Künstlerkittel hält ein Schriftstück oder eine Nachricht – möglicherweise ein Leitmotiv, ein Mantra oder ein persönliches Bekenntnis. Dieses Detail verstärkt die introspektive Dimension des Werkes: Die Transformation ist nicht nur äußerlich, sondern tief verankert in einer bewussten Entscheidung.
- Die offene Tür: Sie fungiert als Symbol für Zukunft und Möglichkeiten. Während der Innenraum das Alte repräsentieren könnte, deutet die Tür auf einen noch unbestimmten Neuanfang hin.
- Die Theatermaske: Sie steht für das Spiel mit Identitäten, für verschiedene Rollen, die der Künstler oder der Mensch im Laufe seines Lebens annimmt. Ihre Übermalung durch eine kleinere Figur rechts daneben deutet darauf hin, dass diese Inszenierung oder Selbsttäuschung einem neuen, authentischeren Ausdruck weichen soll.
- Der Cocoon an der Decke: Er symbolisiert eine noch nicht abgeschlossene Metamorphose. Die Figur darin befindet sich in einem Schwebezustand – weder Vergangenheit noch vollständig Zukunft, sondern im Übergang. Die Platzierung im oberen Bereich des Raumes verstärkt den Eindruck von Unsicherheit, aber auch von möglichem Aufbruch.
- Die Leiter am linken Bildrand: Sie könnte als Möglichkeit zum Aufstieg oder zur Veränderung interpretiert werden. Sie wirkt wie ein Werkzeug, das den Übergang von einer Phase zur nächsten ermöglicht.
- Der Holzdielenboden: Er verankert die gesamte Szene in einer physischen Realität, die an ein Atelier oder einen Arbeitsraum erinnert – ein Ort der Schöpfung und Transformation.
Dieses Werk lässt sich als Reflexion über den künstlerischen Schaffensprozess selbst lesen. Der Künstler ist hier nicht nur als Individuum präsent, sondern als sich ständig veränderndes Wesen, das mit seinem Umfeld interagiert, es verändert und sich selbst dabei hinterfragt. Besonders durch die Übermalung der Theatermaske und des älteren Bildes zeigt sich, dass Kunst nie abgeschlossen ist – sie kann immer wieder neu definiert und überarbeitet werden.
„Alles mach neu“ ist ein tiefgehendes, autobiografisches Werk, das den Moment zwischen Abschied und Neubeginn einfängt. Es zeigt den Künstler in einer Phase der Transformation – zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Verfall und Schöpfung.
Das Bild stellt Fragen nach Identität, künstlerischem Ausdruck und persönlicher Entwicklung, ohne eine eindeutige Antwort zu liefern. Stattdessen eröffnet es einen Raum der Reflexion:
Welche Version unseres Selbst lassen wir zurück? Und welche schaffen wir neu?